Sonntag, 22. Februar 2009

m/d/ich

Lass mich niederknien,
heiss mich aufstehen,
wühle Dich in mich.
Dringe ein in mich.
Küsse mich,
koste mich,
Füge mich in Dich,
Quäle mich,
Liebkose mich.
Wirf mich nieder.
Nimm mich wieder.
Und ich gebe mich
hin an Dich.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Auf der Friedensbrücke

Er hat ein unschätzbares Alter.

Und alles an ihm, der Bart, die wollene Haube, die Haut seines verquollenen Gesichts, die Augen darin, die Schichten von Jacken, die ihn umgeben, selbst die Decke, auf der er sitzt, haben die gleiche Farbe.
Und an trüben Tagen ist es die Farbe des Wassers im Donaukanal, das unter der Brücke hindurch fliesst.

Ich habe ihn manchmal in der Früh zu seinem Platz kommen gesehen.
Er humpelt schwerfällig, zwei Holzkrücken, der vorhandene Fuss in einem alten, aufgerissenen Lederschuhe, das andere Bein endet in einem mit Fetzen umwickelten Stumpf.

Jeden Morgen sucht er den Platz mitten auf der Brücke auf, dort wo der Fussgehweg durch das Geländer abgegrenzt ist. Dort, wo der Wind von den Hausbergen Kahlenberg und Leopolsberg herunter, durch die Metallstangen des Geländers hindurchfährt - selbst am sonnigen Tagen weht er, der Wind.

Und an Tagen wie heute frisst der Wind die Körperwärme auf, die der kalte Aspaphalt noch übrig gelassen hat.

Trotzdem hat der alte Mann seinen Platz auf der Brücke gefunden. SEINEN Platz.

Hier sehe ich ihn sitzen, seit dem ich zuerst spradisch, dann immer wieder, dann regelmässig, weil hier wohnend, die Brücke überquere.

Meist kommt er gerade in der Früh, wenn ich die Kinder zur Schule bringe.
Und am späteren Nachmittag, am Heimweg, sehe ich ihn immer noch.
Und manchmal auch noch, wenn der Abend sich schon über den Donaukanal gelegt hat.

Meistens sehe ich ihn von der Strassenbahn aus.
Manchmal, wenn ich zu Fuss nach Hause gehe, weil ich Zeit habe oder weil mir die Strassenbahn gerade davon gefahren ist, gehe ich über die Brücke und an ihm vorbei.
Und manchmal, wenn ich etwas Geld in der Tasche habe, gebe ich es ihm.
Klamm vom Wind, von der Brücke, von der Kälte, von einem Gefühl in mir drinnen, gehe ich weiter.

Einmal, ganz am Anfang, habe ich ihn gefragt, warum er denn immer mitten auf der Brücke sitze.
Aber mehr als ein "Bitte, bitte." habe ich nicht von ihm erfahren.

Bei der Gruft sagten sie mir, dass man nicht verhindern könne, dass er genau dort sitzt.

Vielleicht, sitzt er da, weil es sein Platz ist....

... auf der Friedensbrücke.

Freitag, 2. Januar 2009

Windig

Er wachte auf, da er merkte, dass etwas anders war.
Sie war nicht da.
Die vertraute Wärme, der Körper neben sich. Sie war aufgestanden und nicht wieder gekommen. Und es war noch zu dunkel, als dass sie sich bereits für den Tagesbeginn fertig machte.
Langsam wurde er wacher, dümpelte am Rande der Aufmerksamkeit und blinzelte auf die Uhr auf seinem Nachtkästchen, 3 Uhr 41. Zu früh – für alles.
Er wartete und schaute in die Dunkelheit, rollte sich unter der Decke zusammen, wartete weiter. 3 Uhr 55, er stand auf.
Der Parkettboden war kalt und er fröstelte, nur in Shirt und Boxershorts.

Er fand sie im Wohnzimmer, am Fenster.
Das Fenster stand offen und ein kühler Wind bauschte die langen, dünnen Vorhänge. Sie hatte seinen viel zu grossen Bademantel um sich geschlungen und die Hände in die Ärmel gesteckt. Ihr Gesicht war dem bewölkten Himmel über den Häusern zugewandt.

Ob sie ihn kommen hörte?

Ein Windstoss riss den Bademantel von ihren Beinen und er sah, dass sie darunter nackt war.
Im diffusen Dämmerlicht erblickte er ihre nackten Hüften und spürte eine plötzliche Lust auf sie, aber er ahnte, dass dies der falsche Moment war.

Sicher hatte sie ihn wahrgenommen, aber er wagte es nicht, sie zu berühren.
Der Wind zerwühlte ihre Haare und liess ihn neuerlich frösteln.

Als sie zu sprechen anfing, war ihre Stimme heisser und von ungewohnt hohem Ton. „Der Wind lässt mich nicht schlafen“, sagte sie. „Er macht mich unruhig.“ Sie zog die Hände aus den Ärmeln und beugte sich weit aus dem offenen Fenster.
Wieder bauschte sich der Mantel und entblößte sie. Die Kälte liess ihn schaudern, aber ihr schien sie nichts auszumachen.
„Wenn der Sturm stärker wird, habe ich Angst, mit ihm ziehen zu wollen“, flüsterte sie und wandte sich zu ihm um. Sie stand nun mit dem Rücken zum Fenster, die Arme auf die Kante gestützt und lehnte den Oberkörper weit nach hinten ins Freie, den Rücken durchgebogen. Einen Moment sah es so aus, als wollte sie sich in den Wind, in die Nacht hinaus fallen lassen.
Der Bademantel war über ihre Schultern gerutscht, ihr Körper war fast nackt. Die Brüste spannten sich in der Kühle der hereinströmenden Luft.

Er konnte nicht anders. Er konnte ihr nicht dabei zusehen.
Vorsichtig hob er sie hoch, trug sie zurück ins Bett, legte sie sanft auf die Laken.
Dann nahm er sie ohne ein Wort zu sagen, ohne sie oder sich ganz zu entkleiden, bedeckte ihre Gesicht, ihren Hals, ihre Schultern mit Küssen, während ihre Arme ihn fest umfingen.
Es dauerte nur ein paar Minuten und als es vorbei war, fragte er sich, ob dies nicht Teil eines Traumes war.
Seine letzte Empfindung, bevor er wieder einschlief, waren ihre Tränen auf seiner Hand, als er ihr die Haare aus dem Gesicht strich.